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Maja Hartmann: »Erster Erfahrungsbericht – Die neue Welt«

Liebe Leserinnen und Leser,

Dies wird mein erster Brief an die ferne Heimat, in dem ich von meinem neuen Leben in dieser völlig fremden Welt erzählen möchte.

Nun bin ich hier in Nicaragua schon für mehr als einen Monat und trotz allem fühle ich mich noch sehr neu hier und unerfahren. So viele unglaubliche Dinge gibt es hier, dass ich noch völlig damit beschäftigt bin mich hier einzufühlen und hier zu leben. Hier der Blick über die Laguna de Apoyo, die hier in der Nähe ist. Man kann diese wunderbare Aussicht von einem kleinen Dorf namens Catarina genießen. Es liegt nur ein paar Kilometer von Masya entfernt. Wir haben mit unserer Vorgängerin Kore einen Ausflug dorthin gemacht.

 

Meine Ankunft und die ersten Tage

Meine ersten Tage hier am anderen Ende der Welt sind unglaublich voll von Neuem: Zuerst meine Eindrücke als wir aus dem Flughafen in der Hauptstadt Managua kamen – Schwüle Hitze den ganzen Tag lang, man schwitzt praktisch immer!

Dann die Natur: Einfach atemberaubend! Tropisch mit Palmen,Bananenstauden, riesigen Bäumen am Straßenrand bewachsen mit Lianen, die herunterhängen in die Gärten, die voll von Hibiskusbüschen und vielen anderen Bäumen sind, die ich noch nie gesehen habe! Überall ist es einfach nur schön GRÜN…..

Aber: Auf den Staßen und egal wo man steht oder geht liegt Müll. Plastikflaschen, bunte Tütchen, irgendwas, alte Reifen….. und es interessiert keinen. Niemand, der sich beschwert oder was sagt,wenn man etwas auf die Straße wirft. Wir sind mit einem richitig alten amerikanischen Bus einen Stunde lang nach Masaya befahren-meine Projektstadt und Zuhause für ein Jahr!

Ich bin aufgeregt……. Die aktuellen Freiwilligen warten auf uns, um mit uns, dem ganzen Nicateam von 11 Leuten, für vier Tage das On-Arrival-Training zu machen. Eine Einführung in das Leben in Nica, Probleme, Mentalität, alles, was wir Neuen wissen müssen oder lieber nicht selbst rausfinden sollten. Inklusive Stadtrallye in Masaya.

 

Das On-Arrival-Training in Masaya

Nach den 5 Tagen, die wir gemeinsam verbringen, fahren alle mit ihren Vorgängern in die Projektstädte, um dort nochmal ein kleines Städte-On-Arrival-Training zu machen. Wir bekommen hier in Masya die wichtigsten Orte (Bank, Supermarkt, Arzt) gezeigt und lernen unsere Arbeit kennen. Die Vorgänger sind sehr motiviert und kümmern sich gut um uns. Doch jetzt ist auch für sie die Zeit gekommen Abschied zu nehmen und wieder nach Deutschland zu fliegen. Auf was sie sich am meisten freuen? SCHOKOLADE !!! Hier gibt es nämlich nur sehr krümelige und teure Schokolade-Obwohl es hier in Nicaragua riesige Kaffee- und Kakaoplantagen gibt. Die Nicas erklären: Die Rohmaterialien liefern sie, die armen Länder, und die Verarbeitung und Veredlung findet dann in den Industriestaaten statt.

Aber auch Vollkornbrot haben unsere Vorgänger vermisst. Hier gibt es nur sehr weiches, sehr süsses Weißbrot. Abwechslung bietet wahlweise massig Zucker oder der salzige Nica-Käse auf und in dem Brot – Manchmal auch beides zusammen. Hier gibt es wirklich nur zwei Käsesorten: Salzig und salziger. Zum Glück gibt es den Käse auch noch als weichen QUESILLO: Eine Art Mozarella – Sehr salziger Mozarella!

Wo ich gerade bei Salz bin: Man würzt hier eigentlich ausschließlich mit Salz. Meine Gastgeberin Ruth erklärt: Wir sind es einfach nicht gewohnt mit anderen Gewürzen als Salz und CHILE (Mini-Chili)zu kochen. Ansonsonsten gibt es hier weder Marzipan, Nutella, Gummibärchen oder Schleckereien wie Raffaelo oder Toffifee. Man kennt hier auch Erdbeeren, Kirschen, Pflaumen und Birnen nur aus dem Fernsehen! Ich würde den Nicas gerne mal ein paar Trockenfrüchte zum Probieren geben. Auch Äpfel und trauben sind hier unglaublich teuer und rar: Für einen Apfel bekommt man hier acht Bananen oder Apfelsinen!

Dafür gibt es hier eben all die Dinge, die wir als Exoten betrachten: Ananas, Papaya und fünf verschiedene Sorten Mangos kann man hier im Garten anbauen. Zusammen mit den Krokodilen in einer Lagune baden und durch Dschungel wandern. Skorpione und allerlei giftige Spinnen und Kakerlaken sind hier ungeliebte Untermieter – zusamen mit bunten Geckos, die ab und zu von der Decke fallen und Geräusche machen als würden sie sich küssen.

 

Die Laguna de Apoyo

Unser letzer Abend mit allen an der LAGUNA DE APOYO. Sie ist in der Nähe von Masaya und mit Bus oder Taxi bequem zu erreichen. Wer mich besuchen kommt, kann auch mal in dem Vulkankrater baden und sich an den heissen Quellen ein Wellnesspeeling gönnen! Es gibt eine Sage dieser Lagune: Eine riesige Schlange lebte einst in dem Gebiet um Masaya. Sie legte nur ein einziges Ei. Doch dieses Ei wurde ihr aus dem Nest gestohlen! Mit der Zeit füllte sich das leere Nest mit Regenwasser und wurde zu der Laguna de Apoyo. Die Schlange jedoch lebt noch immer – und zwar am Grunde des Sees. Die warmen Wasserströme, die man manchmal spürt und die heißen Quellen sind das wütende Schnauben des armen Reptils…….

Hier das Haus am Ufer der Lagune, das wir von einem befreundeten Pastor leihen können. Während des Zwischentreffens im Februar/März mit den anderen Mittelamerika-Freiwilligen werden wir hier auch her fahren.

 

Meine Arbeit bei Terre des Hommes

Ich gebe mit meinem Mitfreiwilligen Jakob einen Theaterkurs für Kinder im Alter von 5-13 Jahren. Wir unterstützen damit die entwicklungspolitische Organisation Terre des Hommes Italia, die hier in den Gemeinden auf dem Land kuturelle Freizeitangebote für Kinder anbieten. Wir werden ein Theaterstück zum Thema DROGEN mit ihnen aufführen. Die Arbeit macht sehr viel Spaß, ist jedoch auch am anstrengendsten, weil die 15 quirligen Kinder sehr wild und motiviert sind.Manchmal spielen wir dann Pfadfinderspiele und machen kleine Theaterübungen bevor wir mit den Szenen weiterproben. Im Moment haben wir uns die ersten beiden Szenen grob überlegt und Jakob hat schon die Kampfszenen mit den Jungs geübt. – Das hat ihnen am meisten Spaß gemacht! Der Handlungstrang, ausgedacht von den Kindern, ist folgender: Es gibt eine reiche und eine arme Familie.Der Sohn der armen Familie fängt an Drogen zu konsumieren aufgrund seiner Armut und seiner sozialen Situation: es gibt wenig zu essen und fast ausschließlich Reis mit Bohnen, sein Vater verprügelt ihn und ist selbst Alkoholiker (nicht unüblich für Nicaragua). Es kommt zu einem Streit zwischen einem reichen und dem armen Sohn. Die Polizei greift ein. Schließlich die finale Kampfszene: Diese endet in dem Tod des armen Drogenabhägigen.

 

Die Mobile Schule

Wir gehen dreimal in der Woche mit der Mobilen Schule in soziale Brennpunkte. Montags nach Las Torres, ein sehr armes Viertel in Masaya, mittwochs in San Jeronimo und donnerstags auf dem Markt Mittwochs arbeiten wir mit Jugendlichen zusammen, die Kleber schnüffeln. Sie werden HUELEPEGAS genannt (HUELE=er,sie, es riecht; PEGA=Kleber) Das ist besonders eindrucksvoll, weil die Jungs während man mit ihnen versucht zu arbeiten eine leere Fantaflasche unter ihrem T-Shirt halten und den Geruch des Klebers durch Mund und Nase einatmen.

Natürlich rieche ich den beißenden Geruch auch. Man fühlt sich direkt auch benebelt. Sie sind eigentlich sehr clevere CHAVALOS (chavalo=Jugendlicher), doch der Kleber aus den zahlreichen Schuhmachereien schadet dem Gehirn, betäubt jedoch auch Hunger, Schmerzen und jegliche Art anderer Gefühle.

Die Gruppe von ca. 7-12 Jungs im Alter von 12-28 Jahren lebt auf der Straße. Sie werden von der Bevölkerung als der Abschaum der Gesellschaft angesehen. Oft werden wir mit Verwunderung und Abscheu oder Unverständnis betrachtet, weil wir mit ihnen arbeiten und reden. Viele von ihnen haben zu Hause Ablehnung, Gewalt und mehr erfahren, was sie dazu brachte lieber auf der Straße zu leben. Außerdem gebe ich Englischunterricht für Jugendliche und Erwachsene. Der Kurs ist gratis und es kommen ca. 6-10 Personen zu meiner Abendklasse. Im Moment schauen wir den Film HARRY POTTER auf Englisch, mit englischem Untertitel. Danach werden wir von Bon Jovi “Bed of Roses” singen- Auf Wunsch meiner Schüler! Ich habe sie gefragt, welche englischsprachigen Lieder sie kennen und mögen und heraus kam dabei: Taylor Swift, Bon Jovi, Lady Gaga und The Beatles ……….

 

Impression – Ein Morgen in meiner Gastfamilie

Ich liege in meinem Bett. An meinem Rücken senkt sich die Matratze . Das rostige Bettgestell quietscht.ich weiß mittlerweile, dass es nicht unter meinem Gewicht zusammen brechen wird. Meine Augen sind geschlossen. Die Luft is warm. Ich rieche den Rauch vom Holzfeuer auf dem die Nachbarin Bohnen kocht. Mein linkes Bein juckt ein wenig. Ich bin fast wach, da von draußen die ersten Hähne seit 5 Uhr krähen. Zwei Hunde bellen laut, einer knurrt. Laute Marimba Musik tönt vom Nachbarn herüber. Der Fernseher läuft. Es kommt Friends- Englischer Originalton mit spanischem Untertitel.Ich lache immer am lautesten, wenn wir die amerikanschen Serien schauen.Ich glaube die Witze sind original einfach lustiger sind und hier kann kaum einer gut Englisch sprechen (das sprachliche Niveau ist hier in etwa wie in Frankreich…). Aber ich versuche nicht mehr so viel auf den Text zu hören, sondern die Untertitel zu lesen. So habe ich schon wichtige Wörter gelernt. z.B: La verruga – die Warze.

Der Geruch von frisch gebackenem Brot steigt mir in die Nase. Lecker. Ich habe Lust zu frühstücken-Gibt es heute zum Frühstück wieder Reis mit FRIJOLES (eine Art Kidneybohnen, nur kleiner, die es in Deutschland gar nicht gibt. Dafür sind sie hier Hauptnahrungsmittel zusammen mit Reis). Oder wieder GALLO PINTO-Das Nationalgericht Nicaraguas-Das auch aus Reis mit Bohnen besteht, diesmal aber verrührt. Das schmeckt wirklich gut! Auch wenn es ungewohnt ist fast dreimal am Tag warm zu essen – Und jedes mal Reis dazu zu bekommen. Aber hier gibt es so einige Früchte und Gemüsesorten, die ich vorher noch nie gesehen habe: Pithaya (ähnelt unserer Drachenfrucht), Jicote, Nancite, Noni…

Jetzt ein Eindruck meiner Gastfamilie: Hier leben drei Brüder mit ihren zwei Schwestern und insgesamt fünf Kindern. Zwei der Brüder sind Alkoholiker und haben keine feste Arbeit. Das belastet die Familie sehr. Meine Gastgeberin Ruth ist 30 Jahr alt. Sie selbst hat keine Kinder und musste ihr Studium abbrechen, weil der Direktor der Universität die gezahlten Gebühren veuntreute. Auf dem Foto sieht man Ruth und ihre Nichte Karla (16) beim Festumzug am Unabhängigkeitstag: Die besten Schüler dürfen mit Scherpen dekoriert mitlaufen. Unten ist die Küche und gleichzeitig das Esszimmer. Es wird vor dem Fernseher gegessen, es gibt gar keinen Esstisch für alle.

Die Wasch- und gleichzeitig Spülmaschine der Familie: Ein Waschbecken, das auf der linken Seite ein Waschbrett hat, in der Mitte einen Wasserhahn mit einem kleinen Becken und auf der rechten Seite ein weiteres Becken um dort das Geschirr (la traste) zu spülen. Die Cousine von Karla wäscht gerade ihre Wäsche. Hier im Viertel Monimbo gibt es jeden Tag zwischen 6 Uhr morgens und ca. 2 Uhr mittags kein Wasser in der Dusche. Dann holt man sich einen Eimer und füllt ihn am Wasserhahn und schüttet sich dann mit einem kleine Schüsselchen jeweils so viel Wasser über, wie man braucht zum Duschen.

Oft ist auch Stromausfall: Dann gibt es von einem Moment auf den anderen plötzlich nichts mehr. Kein Licht ,keine Straßenlaternen, keinen dröhneden Fernseher, keine laute Musik,……aber die Menschen hier fangen nicht panisch an zu schreien und wissen nicht mehr was sie jetzt machen sollen- Sie holen Kerzen und setzen sich an die Straße oder in den Innenhof (Patio) ins Mondlicht und plaudern.

 

»Zweiter Erfahrungsbericht – Eine neue Heimat?«

Nun bin ich schon über zwei Monate hier in Nicaragua. Ich fühle mich hier immer mehr zu Hause. Wenn ich von der Arbeit komme, verschwitzt auf meinem Bici, und mich der Nachbar mit „Buenas! Como estás, Maja?“ grüßt oder die gelangweilte Frau im Cyber (Internetcafé), die mir beim Rausgehen lächelnd (!) zuruft, dass ich, ganz in Gedanken versunken, mein Fahrrad stehen gelassen habe.

Damit ihr einen guten Einblick in das Leben hier bekommt, möchte ich in meinem Bericht die Stadt Masaya und den Vulkan vorstellen.

 

Bald ist Sommer

Ich spüre die Kälte in der Luft. Meine Nase läuft. Liegt an dem Regen und den 26 °C. Erst hat der Himmel fast eine Woche lang jeden Tropfen geizig zurück gehalten und dann, plötzlich, geht es los: Dunkel-bedrohliche Wolken ziehen sich über meinem Kopf zusammen, während ich mit meinem Bici (Fahrrad) auf dem Weg zu meiner Abendklasse bin. Schaffe ich es noch rechtzeitig? Ja, zum Glück.

Wenn nicht, bin ich gezwungen durch die überfluteten Straßen zu strampeln, mich an metergroßen Schlaglöchern vorbei zu manövrieren, in denen sich Plastiktüten, Dreck und alles andere sammelt. Die braunen Sturzbäche nach den Regenfällen reißen alles mit sich. Ich bin froh, dass ich keine Kakerlake bin. Die Einheimischen sagen uns, dass es nur noch im Oktober so viel Regen gibt. Dann ist der „Winter“ hier, die Regenzeit, vorbei. Zwar soll es im Dezember noch einmal kalt werden, aber dann ohne Regen. Ich wurde ganz interessiert von dem Vater unseres Theaterkindes Eric gefragt:„Ist es wahr, dass es bei euch in Deutschland vier Jahreszeiten gibt? Was ist das denn Frühling? Oder Herbst? Woran merkt man das?“

Ich muss schmunzeln. Und erkläre, dass Frühling ist, wenn der Schnee schmilzt und die ersten Narzissen anfangen zu blühen. Herbst ist das Gegenteil: Dann wird es kalt, es ist gleichzeitig Erntezeit. Außerdem färben sich die Blätter an Bäumen, die es hier nicht gibt, erst rot und gelb, fallen dann ab. Ich mag den Sommer am liebsten. Eigentlich ist es bei mir „allá“ (da drüben) dreiviertel des Jahres eher kalt als schön warm. Ich mag das Klima- Die erste Anpassung bei mir hat schon stattgefunden: Die Haare auf meinen Unterarmen fangen an sich schön gold-gelb zu färben! Von denen auf meinem Kopf ganz zu schweigen. Der Sonne sei Dank.

Nächstes Jahr komme ich Wasserstoffblond zurück…..also an alle, die mich besuchen kommen: Ich wohne in dem wohl größten Sonnenstudio- mit 100 % Hautkrebsgarantie!

 

Masaya

Das Playboyauto mit den Monsterboxen fährt morgens um 6.34 Uhr an unserer Tür vorbei. Viel zu laute Geigen wecken mich unsanft. Geigen?! Jetzt verkündet eine tiefe, kratzige Stimme, dass Fernanda Rosa Hernandez gestern verstorben ist. Alle, die sie kannten, sind herzlich zu ihrer Vela (24-stündige Totenwache am Sarg des Verstorbenen) eingeladen. Ungewöhnlich.

Die Venta-Frau
(kommt von vender-verkaufen)
Man stelle sich eine korpulente Frau mit Dutt vor, die auf einem Schaukelstuhl sitzt.
Auf dem Regal vor ihr gibt es alles, was das Herz begehrt : Klopapier, grüne Kaugummis, ein Kanister Öl, ein einzelner Gummischlappen , Salz, Maggi…
Sie lacht selten und hat einen harten Gesichtsausdruck.
Aber wenn man sie nach den traditionellen Festen in Masaya fragt, strahlen ihre Augen.
Sie fängt so schnell zu schwärmen von ihrer Heimatstadt und den 17 Enkeln, dass mir nichts anderes übrig bleibt als freundlich zu nicken. Es gibt sie an jeder Straßenecke. Ich fühle mich gut, wenn ich bei ihr eine Banane kaufe.

 

Masaya-Hauptstadt der Folklore

Jetzt eine kleine Vorstellung meiner Stadt: Masaya liegt recht zentral in Nicaragua, und hat –je nach Quelle- zwischen 150.000 und 300.000 Einwohner. Die Stadt liegt ca. 20 Minuten per Bus von Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, entfernt. Bis zum Pazifik sind es ca. 100 km, bis zum Atlantischen Ozean leider etwas mehr- Ungefähr acht Stunden in mehr oder weniger klimatisierten Bussen.

Die Masayaner sind wirklich stolz auf ihren Titel „Hauptstadt der Folklore“! Das bedeutet, dass es hier unglaublich viele traditionelle Tänze, Handwerk und vor allem Feste gibt. Zum Beispiel gab es den ganzen Oktober jedes Wochenende Feierlichkeiten zu Ehren des Heiligen San Jeronimo. Der „ Arzt der Armen“ ist der Schutzpatron der Stadt. Diese 24 Stunden-Prozession ist einzigartig in Lateinamerika und wird ausgiebig gefeiert. Jeder ist auf den Beinen!Die Statue wird auf einer riesigen Sänfte aus Blättern und Blumen durch ganz Masaya getragen. Die ist so schwer, dass ca. 100 Männer dafür nötig sind. Es gibt sogar einen Flyer auf dem die Route Steht, damit man ja nichts verpasst. Am Tag vorher steht der Heilige in der Kirche bereit, um die Menschen zu empfangen.

Ich sehe eine dürre Frau mir Sorgenfalte, die ein rotes Nike-Mützchen für ihn mitgebracht hat. Es wird der Statue über die andere gezogen. Jetzt wird ein verschüchterter Junge auf die 2m hohe Sänfte gereicht. Die stolzen Eltern machen ein Beweisfoto. Segen für alle. An der Tür neben der Frau, die Kekse, pinke Glitzerhaargummis und Zigaretten verkauft, gibt es Heiliges San-Jeronimo-Wasser. Hilft gegen alles, beteuert der schlanke Mann. Kostet auch nur 10 Córdoba. Das sind ca. 30 Cent.

Zwei Nicas wollen mir die Prozession zeigen. Wir wollen abends los. Ich gehe mit, in Flip-Flops, wie immer. Sobald wir uns in den lärmenden Haufen gestürzt haben, merke ich, dass das eine echt bescheidene Idee war. Denn diese Prozession ist keine Prozession- Es ist ein Massen- Zwei-Minuten-Sprint!

Da die Bahre so schwer ist, bewegt sich die schwitzende Menschenmasse nur ruckartig und vor allem rennend vorwärts. Doch noch geht es nicht los. Die „Chicheros“ (Straßenminiband mit Tuba, Pauke, Trompete und Trommeln) machen Stimmung. Alle um mich herum fangen an zu kreischen. Ich bekomme eine Bier-Dusche ab. Ihhh. Aber schön kühl.„Maja, zu dem Lied müssen wir tanzen!“, ruft mir Ruth zu. Ich habe keine Ahnung wie und schaue mich um. Ekstatisch, doch gleichzeitig rhythmisch bewegen sich die Nicas zu der mitreißenden Melodie. Ich lasse mich mittragen.

Ein befreiendes Gefühl. Mein Lachen versinkt in der Kakophonie heiserer Eismänner, zeternder Muttis doppeltem Ausmaßes, aufdringlichem Pfeifen und Rumverkäuferinnen ,die ihr Produkt liebevoll als „Leche“ (Milch) anpreisen.

Ich bin fasziniert, versuche den Moment in mir aufzusaugen. Wann tanzen die verschiedensten Menschen schon mal in Deutschland ausgelassen auf der Straße?

Plötzlich setzt sich der Haufen in Bewegung. Ich werde gestoßen, von einem 15-jährigen vorwärts gedrückt. An seiner zierlichen Nase rinnt ein dicker Schweißtropfen hinab. Ich möchte noch einmal hinsehen. Warum rennen die denn auf einmal in so einem Affenzahn los?! Hilfe! Jemand trampelt auf meinen rechten Fuß. Auaaa. Ich spüre wie ich meine Flip-Flops verliere. Ein starkbehaarter Arm taucht aus dem nichts auf. Ich werde aus der sich vorwärts rollenden Lawine enthusiastischer Leiber gezogen und lebe.

 

Der Vulkan de Masaya

Es gibt einige Attraktionen hier wie den berühmten Vulkan de Masaya. Zum letzten Mal ist er im Jahr 1927 ausgebrochen. Er ist etwas mehr als 6oo Meter hoch und besteht eigentlich aus einem Ensemble von drei Vulkanen, von denen einer noch aktiv ist. Er gehört zu den aktivsten Amerikas.

Es gibt ein eigenes Naturreservat, das man durchwandern kann. Am Wegesrand ranken sich die prächtigsten Schlingpflanzen, knallblaue Vögel zwitschern schrill, die Sonne brennt unmenschlich.Das meint der Nicaragüense: „Hoffentlich sehen wir eine Culebra (Riesenschlange) oder ein Faultier. Pass auf mit den Affen, die werfen die Touris manchmal mit Stöckchen ab!“

 

Ich bin winzig

An den schroffen Felsen steht die kleine Maja und sieht hinab in das unglaublich tiefe Loch unter ihr. Sie hat so etwas noch nie in ihrem Leben vorher gesehen: Ein Abgrund, der geradewegs in das innere der Erde hinab führt. Soll dieser Qualm, der ihr brennend den Rachen zerbeißt das Einzige sein, dass diese mächtige Naturgewalt zu bieten hat? Wie stark dieser Vulkan sein kann! Alles unter sich begrabend, sich den Berg hinabwälzend und nur verbrannte Asche und Rauch zurück lassend….Willkürlich…….Alle Menschen und ihre schön gebauten Häusschen, Sträßchen, Problemchen werden ignoriert, zermalmt. „Es könnte genau jetzt passieren!“, denkt sie, „Die Natur unberechenbar und so viel mächtiger als wir Menschchen….Ich bin winzig!“

Das morgendliche Dilemma, ob sie das blaue Top denn jetzt anstelle des grünen T-Shirt anziehen sollte, scheint ihr mit einem Male mehr als lächerlich.Fast wünscht sie sich, dass eine Flamme aus dem Krater züngeln möge. Nur eine einzige. Für sie. Als Erinnerung.

Sie blickt unglaubig hinunter in den Schlund, taumelt, fühlt sich magisch angezogen.Wie viel sind dort wohl schon runtergefallen oder gefallen worden? Der Vulkan ist ein besonderer Ort. Schon die Indígenas (Ureinwohner) verehrten den Vulkan nicht nur als heilige Stätte, sondern sprachen ihm einen eigenen Gott des Feuers zu. Menschenopfer, vorzugsweise Kinder, und Kultrituale waren bei ihnen für die Ernte und das Wohlergehen des ganzen Volkes verantwortlich.

Blick auf die Landschaft um den Vulkan: Das Grün versucht die Lavasteine unter sich zu begraben.Es ist hier so wunderschön grün – Ich werde mich wiederholen in meinen Berichten, aber das muss einfach gesagt werden. Ich fühle mich sehr wohl. Das tut der Seele einfach gut.

 

Meine Arbeit bei Terre des Hommes

Das Theaterstück ist fertig geschrieben und wird jetzt unter Zeitdruck geübt – Wir haben unsere Aufführung am vierten Dezember!!! Hoffentlich klappt das…

Die Kinder sind hochmotiviert, aber leider nicht gewohnt stundenland zu proben. In meinem Englischkurs bereitet gerade jeder eine Stunde für die anderen vor. Das führt zwar dazu , dass wir die schnulzigsten Liebeslieder durchkauen, macht aber Spaß! Vor allem ist der Lerneffekt unglaublich viel höher als bei meinen Grammatikwiederholungen…

Die Arbeit mit der Mobilen Schule macht mir wirklich Spaß, auch wenn ich gerne öfter an die gleichen Orte gehen würde, um mehr mit den Kindern zu arbeiten. Um mehr zu erreichen. Es gibt einige, die wirklich Potential haben, aber nicht zur Schule gehen und nicht gefördert werden. Stattdessen müssen sie arbeiten. Der 10-jährige Juan zum Beispiel ist echt clever. Er löst die Matheaufgaben fast schneller als ich! Ich frage ihn, ob er gute Noten in Mathe hat. „Ich war diese Woche nicht in der Schule.“ „Warum?“ „Meine Eltern verkaufen Schweine. Ich musste die Sala putzen und dann warten, falls Kunden kommen und eins kaufen möchten.“

Er sagt das einfach so, ganz locker. Ist halt so. Er ist doch nicht der Einzige. Ich bin verwundert. Und ein wenig traurig. Es gibt hier andere Prioritäten, die ich schwer nachvollziehen kann. Ich versuche so viel während meines Freiwilligendienstes zu tun, wie ich kann.

 

Fünf Dinge, die ich hier gelernt habe:

1. Ampeln sind eher als „freundliche Aufforderung“ zu verstehen – Auf keinen Fall als absolute Richtwerte………….deshalb: „Survival of the fittest“ gilt nicht nur für Darwinfinken, sondern auch für deutsche Freiwillige im nicaraguanischen Straßenverkehr.

2. „Mañana“ (Morgen) ist ein Zeitraum zwischen 3 Stunden und 6 Wochen.

3. Wenn man Ananas am Abend isst, bekommt man eine Erkältung.

4. Die kriegt man auch, wenn man im erhitzten Zustand kalt duscht (Ja! Die Nicas schwören wirklich darauf!)

5. Der Teil des Schweines, um den sich alle reißen, ist der Ringelschwanz- Schön frittiert!

Jetzt kommen gleich ein paar Nicas vorbei. Wir wollen die Musik „Wir sind Helden“ hören. Ich soll Julio den Text von seinem Lieblingslied „Du erkennst mich nicht wieder“ übersetzen. Er kann schon die ersten paar Zeilen singen.

Ich verabschiede mich mit sonnigen Grüßen! Und ja, ich denke, dass ich hier eine neue Heimat finden werde. Fast scheint mir ein Jahr zu kurz für all die Dinge, die ich noch lernen, sehen und fühlen will.

Ich freue mich auf viele Fragen, Kritik, Kommentare und jede andere Form vonFeedback zu meinem Bericht. Besonders auch via Skype oder ganz altmodisch per Post. Worauf sollte ich noch in meinen Berichten eingehen? Was fehlt?

Liebe Grüße,

muchos besos

Maja

 

 

 

 

Dankeschön

An alle Menschen , die mich und meinen Freiwilligendienst unterstützen. Ohne euch könnte ich das alles hier nicht erleben!

Ich hoffe, dass ich einen guten Eindruck von meinem Leben hier vermitteln konnte. Es gibt noch unglaublich viele Sachen zu berichten, aber jetzt ist Mittagessenszeit und ich werde mit meinem Fahrrad zu meiner Gastfamilie zurück fahren. Was interessiert Dich am meisten? Was sollte ich genauer beschreiben?

Ich freue mich auf viele Fragen, Kritik, Kommentare und jede andere Form von Feedback zu meinem Bericht. Auch gerne altmodisch per Post oder via Skypegespräch!

Liebe Grüsse,
muchos besos (Küsse) und abrazos (Umarmungen)!
Maja
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Kontakt

Maja Hartmann
De la curacao tres cuadras al este
Masaya, Nicaragua

Alles Neue aus Nicaragua mit Fotos und Co.:
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oder per Mail hartmann.maja@gmail.com
Skypen: hartmann.maja

Spenden für meinen Freiwilligendienst an:
Weltweite Initiative für Soziales Engagement
Kontonr: 861 1300
BLZ: 550 20 500
Betreff: Spende 70056
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